Schiedsrichter: Bewegende Tage und Wochen für Maryna Striletska

02.05.2022 00:00

Schiedsrichter: Bewegende Tage und Wochen für Maryna Striletska

Seit Ende März steht eine aus der kriegsversehrten Ukraine geflüchtete Schiedsrichter-Assistentin mit FIFA-Status in der Promotion League im Einsatz. Die 38-jährige Maryna Striletska versucht hierzulande, sich für die UEFA Women’s EURO im Juli in Form zu halten und Ablenkung zu finden.

Nationale und internationale Medien widmeten Striletska und ihrer traurigen Geschichte in den letzten Wochen diverse Artikel. Sie berichteten darüber, wie die FIFA-Schiedsrichter-Assistentin zusammen mit ihrer Tochter in einer viertätigen Odyssee aus dem Nordosten des Landes nach Polen und von dort weiter in die Schweiz flüchtete. Wie sie ihren wehrpflichtigen Mann in der Ukraine zurücklassen musste und bei ihrer Schwester, einer Schriftstellerin, in Basel Unterschlupf fand.

Die Schiedsrichter-Abteilung des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) konnte Striletska in Zusammenarbeit mit der UEFA unbürokratisch die Möglichkeit bieten, in der Schweiz wieder als Schiedsrichter-Assistentin tätig zu sein. In der Ukraine bildet Striletska mit Kateryna Monzul und Svitlana Grushko ein Trio, das in der nationalen Meisterschaft seit geraumer Zeit regelmässig Spiele auf höchstem Niveau leitet und auch international für die Europa League oder die Conference League berücksichtigt wird. Ausserdem stand sie letzten Oktober beim WM-Qualifikationsspiel der Männer zwischen Andorra und England an der Linie.

In der Promotion League fungierte Striletska seit Ende März und dem Debüt beim Spiel FC Zürich II – FC Chiasso bislang in verschiedenen Konstellationen in sechs Partien als Schiedsrichter-Assistentin, dazu einmal in der 1. Liga. «Die Spiele setzen vollen Fokus voraus. Oft passiert Unerwartetes, was für mich eine ausgezeichnete Vorbereitung auf die Frauen-EM ist», resümiert Striletska. «Die Schiedsrichter sind sehr freundlich, versuchen auch in Situationen zu helfen, die nichts mit Fussball zu tun haben. Während der Spiele verstehen wir uns trotz unterschiedlicher Sprachen perfekt. Fussball ist als Sprache universal.»

Für Striletska sind die Einsätze in der Schweiz nicht nur eine sportliche Vorbereitung auf das Highlight des Frauenfussball-Kalenderjahres 2022. Sie dienen auch dazu, die Erlebnisse in der Ukraine wenigstens temporär ausblenden zu können. «Ich kann so den Horror, der sich in meinem geliebten Heimatland abspielt, wenigstens für zwei Stunden vergessen. Dann bin ich voll fokussiert auf Offside, Fouls und alles, was mit dem Spiel zu tun hat. Ich bin dem SFV und insbesondere der Schiedsrichterkommission sehr dankbar, dass ich die Gelegenheit erhalten habe, Spiele in der Schweiz assistieren zu dürfen.»

Eine aus verschiedenen Gründen spezielles Datum dürfte für Striletska der 4. Mai sein. Um 19.00 Uhr wird der FC Basel im St. Jakob-Park den ukrainischen Rekordmeister Dynamo Kiew zu einem Benefizspiel empfangen. Den Erlös wird der FCB der Glückskette spenden, die sich unter anderem für Kriegsopfer des Ukraine-Konflikts einsetzt.

Der Rahmen der Partie ist aber auch darum aussergewöhnlich, weil das Spiel von einem Frauen-Trio geleitet wird, das in gut zwei Monaten an der Frauen-EM zum Einsatz gelangen wird. Schiedsrichterin des «Match for Peace» in Basel wird Esther Staubli sein, die zweite Assistentin ist die ebenfalls für die UEFA Women’s EURO berücksichtigte Susanne Küng.

«Ich bin stolz, Teil dieses schweizerisch-ukrainischen Trios und für die EM selektioniert geworden zu sein», sagt Striletska. «Die Vorfreude darauf, in Basel bekannte Gesichter aus der ukrainischen Liga zu sehen, sich mit ihnen in der Muttersprache unterhalten zu können und viele Landsleute im Stadion anzutreffen, ist riesig. Ich denke, die Emotionen werden unvergesslich.» Um seinen Teil zum «Match for Peace» auch ausserhalb des Platzes beitragen zu können, wird das Schiedsrichterinnen-Team auf die Spesenentschädigung verzichten.

(SFV)