Der Weg zum Profi vor der Kamera oder auf Social Media

02.11.2023 00:00

Der Weg zum Profi vor der Kamera oder auf Social Media

Darf ausser dem US-Präsidenten und den Nachrichtensprechenden auch eine Spielerin direkt in eine TV-Kamera reden? Wie reagiere ich auf Beleidigungen bei Posts auf Social-Media-Kanälen? Wie vermittle und kommuniziere ich die Werte des SFV und der Nationalteams? Diese Fragen und viele weitere Themen behandelt der SFV im Rahmen seiner Medienschulungen für die Nationalteams.

Wenn Nati-Captain Granit Xhaka auf «X» (zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen noch Twitter) als «albanisches Nazi-Krebsgeschwür» bezeichnet oder seiner Tochter «Krebs gewünscht» wird, zeigt das zweierlei Dinge auf: das bodenlose Niveau und den Hass gewisser Online-User zum einen und die dicke Haut, die man sich als Person von öffentlichem Interesse zulegen sollte, zum anderen.

Doch wie lernt man, mit solchen herausfordernden Situationen umzugehen? Kontert man? Oder ignoriert man solche kaum zu glaubenden Beleidigungen «einfach»? Hier setzt das Konzept des SFV an, das Sergio Affuso in Zusammenarbeit mit Dominik Erb entwickelt hat. In modularen Schulungen vermitteln der diplomierte Medientrainer Affuso und sein Team seit Sommer 2020 Junioren-Nationalspielerinnen und -spielern einen vertieften Einblick in die Medienwelt. Bei der Premiere dabei waren aus der damaligen U-17 und U-19 der Frauen Spielerinnen wie Livia Peng, Alayah Pilgrim oder Riola Xhemaili. Akteurinnen, die es mittlerweile ins A-Nationalteam geschafft haben.

 

«Die Kommunikation hat in den letzten Jahren im Spitzenfussball eine wahnsinnig grosse Bedeutung erlangt. Wir wollen unsere Spielerinnen und Spieler schon früh dafür sensibilisieren. Sie sollen wissen, was sich auf Social Media gehört – und was eben nicht», sagt Adrian Arnold, Leiter Unternehmenskommunikation des SFV.

Sensibilisierung statt Verbote

Auf Stufe U-16/U-17 in Modul 1 wird bewusst auf das Thema Social Media gesetzt. «Denn in diesem Alter sind Spielerinnen und Spieler auf den wichtigsten Plattformen bereits präsent», erklärt Sergio Affuso. «Es geht in unseren Schulungen explizit nicht darum, den Spielerinnen und Spielern Sachen zu verbieten, sondern auch anhand von internen und externen Lehrbeispielen mögliche Konsequenzen aufzuzeigen. Wir sind der klaren Ansicht, dass jeder Post, jedes Interview eine Chance ist, aber man dabei stets überlegt vorgehen soll.»

Im zweiten Modul liegt der Fokus dann dem Thema Interview. Es geht einerseits um Äusseres wie das Verhalten vor einer Kamera, die eingangs erwähnte Richtung des Blicks zur fragenden Person, einen festen Stand, das Einsetzen von Mimik und Gestik oder das korrekte Tenü. Andererseits nehmen Interview-Techniken einen immer wichtigeren Stellenwert ein. «Und wenn die Spielerinnen und Spieler erstmals für das A-Nationalteam aufgeboten werden, setzen wir uns bilateral mit ihnen zusammen, besprechen Botschaften und Werte und repetieren dies.»

Denn auch das Vermitteln und Umsetzen dieser Punkte will gelernt sein. «Es geht darum, dass man sich an gewisse Werte hält, die wir im SFV und in den Nationalteams leben und nach aussen kommunizieren wollen: Identifikation, Freude, Stolz, Toleranz, Respekt. Das muss im Team gelebt, aber auch nach aussen getragen werden», sagt Adrian Arnold. «Die Spielerinnen und Spieler sollen wissen, was man für die Identifikation in der Vorbildfunktion als Mitglied eines Nationalteams machen kann.»

Dass das Posten von Social-Media-Beiträgen oder Kommentaren oder ein TV-Interview auch nach erfolgten Schulungen nicht immer zu 100 Prozent zufriedenstellend erfolgt oder im allerschlimmsten Fall einen «Shitstorm» erzeugt, liefert zwei Erkenntnisse: Jene, dass auch Spielerinnen und Spieler «nur» Menschen sind und dass die internen Präsentationen mit Beispielen aus den eigenen Reihen angepasst werden können respektive müssen.

SFV